Die Norddeutsche 25.09.2017

Schüler möbeln Kutter auf

Für die Restaurierung der „Najade“ arbeiten Kutterverein und die Schule Kerschensteinerstraße zusammen

Vegesack. Sie hat es immerhin noch auf dem eigenen Kiel von der Bootswerft Reiners an der Lesum bis in den Museumshafen geschafft. Aber jetzt soll der Segelkutter „Najade“ unter der Plane hinter dem Thielespeicher erst einmal von Grund auf überholt werden. Der Verein „Kutter- und Museumshaven Vegesack“ hat dafür die Schüler einer Berufsorientierungsklasse des Schulzentrums Kerschensteinerstraße mit an Bord geholt. Bis zum Mai soll der kleine Zweimaster jetzt hergerichtet werden.

Der Großmast und der Besan liegen wie der Klüverbaum auf Böcken, Tauwerk stapelt sich in einem Regal. Klaus-Dieter Fuge sowie Udo und Sven Köhler inspizieren im Keller, was sie vom „Najade“-Vorbesitzer Arno Suhren so alles mit dem Schiff geerbt haben. Eine ganze Sammlung von Bodenbrettern gehört dazu. An den Holzteilen blättert die letzte Farbe ab.

Klaus-Dieter Fuge, Besitzer der Barkasse „Rudolf“, sieht wie seine Mitstreiter im Verein aber vor allem das 9,50 Meter lange Boot als das Schmuckstück vor sich, das es einmal war: „Das ist alles gar nicht so schlimm: Material kann man kaufen und die Jungs und Mädchen nehmen jetzt einfach die ­Teile mit und arbeiten sie im Unterricht wieder auf.“

Auf 3500 bis 5000 Euro schätzt der Vereinsvorsitzende Rolf Noll die Kosten des Renovierungsprojektes: „Gott sei Dank ist der kleine Volvo-Penta-Motor noch bis zuletzt gelaufen. Der muss nur einmal gründlich gewartet werden.“ Einmal Klopfen an der Bordwand. Das hört sich nach Kunststoff an und nach einem Hohlraum dahinter. Gar nicht gut. Tatsächlich hat die „Najade“ irgendwann einen Überzug aus glasfaserverstärktem Kunststoff bekommen. Sie lag unter freiem Himmel lange auf der Werft. Noll und seine Mitstreiter sind sich aber einig: „Da war dieses Leichentuch von Kunststoffüberzug sogar nützlich. Ansonsten wäre der Rumpf wohl schon lange weggegammelt.“ So sei die Eiche noch zu retten, sind die Schiffsliebhaber sicher.

Zum Törn eingeladen

Wilfried Dorawa und Heiko Döling haben ein paar der Schüler mit zur Bootsbaustelle hinter dem alten Speicher gebracht. Selma Gusani und Rojhat Torkan wären sofort bei einer Bootstour dabei, Pascal Peters war als einziger von den Schülern schon einmal wirklich auf einem vergleichbaren Boot unterwegs und würde wohl wieder mitkommen. Emine Oguz hat hingegen schon eine Fährfahrt in Italien gereicht, um sie abzuschrecken: „Ich hätte Angst mitzufahren. Für mich ist das nichts.“

Rolf Noll wird noch versuchen, sie umzustimmen: „Wir laden die Jugendlichen natürlich ein zu unseren Vereinstörns. Sie helfen uns jetzt schließlich und gehören dazu. Es wäre schon ein Erfolg, wenn am Ende auch nur einer von ihnen bei uns als Crew mitmachen würde.“ Klaus-Dieter Fuge lästert lachend in Richtung Noll: „Das würde auch unseren Altersdurchschnitt im Verein von 75 deutlich nach unten senken.“ Die Gesellschaft ist inzwischen ganz oben im Speicher in den Vereinsräumen angekommen. Kaffee, Tee, Wasser, Chips und Plätzchen helfen beim Pläneschmieden.

Die Berufsschullehrer Wilfried Dorawa und Heiko Döling wollen die 15 Schulstunden, die sie in der Woche für projektbezogene Arbeit haben, mit der Klasse in das alte Holzschiff investieren. Dorawa: „Wir haben ihnen jetzt schon ein paar Grundfertigkeiten vermittelt. Die wissen jetzt, dass sich ein Bohrer vorne dreht. Jetzt können wir so ein handfestes Projekt prima ins Programm schieben.“ Am Ende sollen die Schüler jedenfalls ihre Berufsfähigkeit deutlich verbessert haben, die Schule vielleicht sogar mit einem Hauptschulabschluss verlassen. Dorawa: „Und auf dem Weg dahin ist das hier besser, als das 15. Namensschild für die Mama oder einen Würfel als Briefbeschwerer zu bauen.“

Für die Überholung des Motors wollen die Lehrer weitere Fachbereiche innerhalb des Schulzentrums ansprechen. Auch die Werkklasse gegenüber – mit Schülern mit Handi­cap – wollen die beiden Pädagogen angehen. Döling erzählt, dass da mit den Sonderpädagogen ohnehin ganz viel zusammen gemacht wird: „Unsere Schule hat ja eine gewissen Tradition: Wir sind bei der letzten Pappbootregatta schließlich zum schönsten Boot gewählt worden und waren außerdem die schnellsten unter den Schönen.“ Und tatsächlich seien ja an ihrer Schule über ­viele Jahrzehnte Bootsbauer ausgebildet worden, sagt Wilfried Dorawa: „Und vielleicht kommt das ja auch einmal wieder.“

Und wer kann denn nun etwas zur Geschichte der „Najade“ erzählen? Rolf Noll rät zum Anruf bei Vorbesitzer Arnold Suhren. Der Binnenschiffer geht gleich ran – im Hintergrund das Brummen der Schiffsmotoren: „Die ‚Najade‘ war ursprünglich als Rettungsboot Ende der 40-er, Anfang der 50-er Jahre im Osten an der Ostsee im Einsatz.“ Aufgeriggt sei der Großmast zehn Meter hoch, das Boot mit Bugspriet sogar elf Meter lang. Suhren: „Die lief dann lange unter dem Namen „Rita“ als privates Segelboot in der Ostsee, bevor sie Anfang der ­90-er Jahre von der Diakonie als Jugend- und Freizeitboot für geistig und körperlich Behinderte genutzt wurde.“

Suhren hat den kleinen Zweimaster ohne Kajüte dann 2008 von der Diakonie gekauft, die sich ein anderes Boot anschaffen wollte. „Ich habe das lange als Hafen- und Vergnügungsboot genutzt, hatte am Ende aber wegen meines Jobs als Binnenschiffer nicht mehr die Zeit dazu, mich ausreichend ­darum zu kümmern,“ gibt er zu. Er zeigt aber auch, dass er mit dem Herzen wohl doch noch an seiner „Najade“ hängt: „Ich bin ja noch im Kutter- und Museumshavenverein und ­werde auch für das Schiff spenden wenn jetzt mal zweihundert oder meinetwegen auch tausend Euro gebraucht werden.“ ­Gesagt ist gesagt.